In der Finanzwelt ist der Begriff «Risiko» eine Wissenschaft für sich. Banken und Versicherungen sind auf mathematische Methoden angewiesen, um die Sprunghaftigkeit moderner Finanzprodukte wie Optionen oder Aktienfonds steuern zu können. Und immer stärker ist methodisches Wissen aus der Hochschule gefragt. Aus diesem Trend ist an der ETH Zürich das «RiskLab» entstanden: eine Denkwerkstatt für Theoretiker und Praktiker, um Finanzrisiken mathematisch zu analysieren.
«Wieviel Geld werden wir am Ende des Tages mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gewinnen? Oder verlieren?» Das sind Fragen, die naturgemäss vorab die Finanzinstitute immer stärker beschäftigen. Die Einführung neuer Finanzinstrumente, schneller verfügbare Informationen auf den globalen Märkten und neue Risikostrukturen führen dazu, dass das Geschäften mit Geld ständig komplexer wird.
Diese Entwicklung ist mitunter ein Grund, wieso die ETH im Departement Mathematik ein RiskLab gegründet hat. Das RiskLab steht für eine innovative Form der Zusammenarbeit: Praktiker und Theoretiker spannen hier zusammen, um neue, frei zugängliche Methoden und Techniken des Riskmanagements auszutüfteln. «Wir sind eine Denkwerkstatt, in der das methodische Wissen aus Mathematik, Versicherungs- und Finanzmathematik gleichermassen eingebracht wird; gleichzeitig reden wir in der Praxis mit», erklären die Professoren Hans-Jakob Lüthi und Paul Embrechts, auf deren Initiative hin das RiskLab entstanden ist.
Ursprünglich war es der Direktor einer Schweizer Grossbank, der an den Toren der ETH angeklopft hatte und vorschlug, die Kompetenzen von Hochschule und Finanzwelt zu bündeln. Im Herbst 1994 wurde das Risk-Lab gegründet, finanziert von der Schweizerischen Kreditanstalt (heute Credit Suisse Group), dem Schweizer Bankverein und der Schweizerischen Bankgesellschaft (inzwischen fusioniert zur UBS). Später stiess die Schweizer Rückversicherung zur Sponsorengruppe. Das Team von Lüthi und Embrechts wurde durch Freddy Delbaen, Professor für Finanzmathematik, ergänzt.
In den Forschungsarbeiten des RiskLabs geht es unter anderem darum, Risiken mit Hilfe quantitativer Modelle besser zu verstehen. Ziel ist die Entwicklung operationeller Risikomasse, basierend auf einzelnen Kerngrössen des Marktes wie zum Beispiel Zinssätze, Aktienkurse, Wechselkurse oder Rohstoffpreise. «Wir wollen voraussagen, welchen Einfluss alle Marktsätze auf das Portefeuille eines Unternehmens haben können», erläutert Paul Embrechts. Darüber hinaus sollen diese Risikomasse das aktive Management der einzugehenden Risiken unterstützen. Das hilft zum Beispiel Versicherungen, bestimmte Risiken «etwa das Risiko 'Hagelschaden am Auto'» besser einschätzen zu können. «Im RiskLab wollen wir Risikolandschaften sichtbar machen», sagt Hans-Jakob Lüthi, «und wir wollen den Unternehmen Instrumente in die Hand geben, damit sie besser beurteilen können, welche Risiken sie eingehen sollten und welche eher nicht.»
Andere RiskLab-Projekte drehen sich um faire Preise, zum Beispiel in liberalisierten Märkten wie der Telekommunikation oder der Energiewirtschaft: «Wenn eine Elektrizitätsgesellschaft Optionen auf Strom zu einem festgelegten Preis verkauft», erklärt Freddy Delbaen, «oder wenn ein Telekommunikationsunternehmen einem Kunden vertraglich eine bestimmte Verfügbarkeit des Netzes garantiert, dann müssen sich diese als Anbieter rückversichern. Und dafür sind finanzmathematische Instrumente gefragt.»
Künftig soll das RiskLab durch ökonomische Kompetenzen ergänzt werden, denn das Interesse seitens der Wirtschaft wächst. Den Professoren Lüthi, Embrechts und Delbaen schwebt ein fest etabliertes Zentrum an der ETH Zürich vor, von dem aus mit anderen Disziplinen des Hauses wie auch mit anderen Hochschulen zusammengearbeitet würde. «Es gibt nur wenige Forschungsgebiete, in denen akademische Belange und wirtschaftliche Interessen dermassen Hand in Hand gehen wie im RiskLab», sagen die Professoren. «Die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit sind wirklich faszinierend!».
Der bisherige Erfolg des RiskLabs lässt sich schon allein an der Tatsache messen, dass mehrere Institutionen im Ausland die Idee aufgegriffen und nachgeahmt haben. Dass dabei auch gleich der Begriff «RiskLab» kopiert worden ist, stört die ETH-Professoren nicht. «Uns liegt einzig daran, diesbezüglich die Kompetenz auf dem Platz Zürich zu sichern.»
Back to Press Publications about RiskLab | English version |